Urteil vom 27. April 2017 – I ZR 247/15 – AIDA Kussmund

Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat gestern entschieden, dass sich die sogenannte Panoramafreiheit auf Kunstwerke erstreckt, die nicht ortsfest sind.

Aus der Pressemitteilung des BGH:

„Ein Werk befindet sich im Sinne dieser Vorschrift an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, wenn es von Orten aus, die unter freiem Himmel liegen und für jedermann frei zugänglich sind, wahrgenommen werden kann. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn ein Werk nicht ortsfest ist und sich nacheinander an verschiedenen öffentlichen Orten befindet. Ein Werk befindet sich bleibend an solchen Orten, wenn es aus Sicht der Allgemeinheit dazu bestimmt ist, für längere Dauer dort zu sein.

Die Panoramafreiheit erfasst daher beispielsweise Werke an Fahrzeugen, die bestimmungsgemäß im öffentlichen Straßenverkehr eingesetzt werden. Dabei kann es sich etwa um Werbung auf Omnibussen oder Straßenbahnen handeln, die den Anforderungen an Werke der angewandten Kunst genügt. Das Fotografieren und Filmen im öffentlichen Raum würde zu weitgehend eingeschränkt, wenn die Aufnahme solcher Fahrzeuge urheberrechtliche Ansprüche auslösen könnte. Künstler, die Werke für einen solchen Verwendungszweck schaffen, müssen es daher hinnehmen, dass ihre Werke an diesen öffentlichen Orten ohne ihre Einwilligung fotografiert oder gefilmt werden.“

BGH, Urteil vom 9. März 1989, Az.: I ZR 54/87, Verwertung der Fotografie eines Privathauses – Friesenhaus

Vorinstanzen: OLG Bremen und LG Bremen

Leitsatz

Das ungenehmigte Fotografieren eines fremden Hauses und die gewerbliche Verwertung einer solchen Fotografie stellen dann keine Abwehr- und Zahlungsansprüche auslösende Einwirkung auf fremdes Eigentum dar, wenn die Fotografie – ohne daß das Hausgrundstück betreten wird – von einer allgemein zugänglichen Stelle aus angefertigt wird.

Tatbestand

[1] Der Kläger ist Eigentümer eines im Jahres 1740 erbauten Hauses auf der Insel Sylt. Es handelt sich um ein im typisch friesischen Stil errichtetes Haus mit Sprossenfenstern, Reetdach und Dachgauben.

Die Beklagte vertreibt Textilprodukte für Wohn- und Innendekorationen. Ihr Prospektmaterial verbreitet sie in Ringordnern, deren vorderer Umschlagdeckel mit einer großformatigen Farbfotografie der von der Straße aus einsehbaren Frontansicht des Hauses des Klägers auf S bebildert ist. Auf der Abbildung sind die über dem Hauseingang befindlichen Buchstaben „G F“ erkennbar, bei denen es sich um die Initialen des Klägers handelt. Auf dem Umschlagdeckel der Werbeordner sind über der Fotografie die Firmenabkürzung der Beklagten und das Wort „W“ abgedruckt, unter dem Bild die Worte „G“.

Die Aufnahme und Benutzung der Fotografie erfolgten ohne Zustimmung des Klägers.

Der Kläger hat den Beklagten auf Unterlassung, Abbildungen seines Hauses gewerblich zu nutzen, auf Einziehung bereits verteilter Werbeordner und auf Zahlung in Höhe von 10.000,– DM in Anspruch genommen.

Er hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe mit der gewerblichen Verwertung der Abbildung seines Hauses sein Eigentumsrecht verletzt. Darüber hinaus habe sie erheblich in seine geschützte Privatsphäre eingegriffen. Die Verwendung des Bildes erwecke in seinem Freundeskreis und in der Nachbarschaft den Eindruck, er – der Kläger – identifiziere sich mit den Produkten der Beklagten, gebe eine Empfehlung für diese Produkte ab, sei jemand, der mit seiner Privatsphäre Geld mache. Er sei von Freunden und Bekannten bereits in dieser Richtung angesprochen worden und fühle sich daher in seinem Ansehen und seinem Ehrempfinden verletzt.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat gemeint, die Klage sei aus keinem denkbaren Rechtsgrund begründet. Sie hat bestritten, daß der Kläger von Freunden und Bekannten auf die Verwendung der Fotografie angesprochen worden sei.

[2] Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (OLG Bremen NJW 1987, 1420 f).

Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt der Kläger seine Klageansprüche weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 

MEHR ZUM URTEIL

BGH, Urteil vom 01.03.2013 – V ZR 14/12